Zum ersten Mal, am Dienstag den 14.06.2016, sind die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen negativ. Das bedeutet Anleger, die ihr Geld für zehn Jahre dem Bund leihen und auf sichere Rückzahlung hoffen, zahlen für dieses Vertrauen eine kleine Gebühr. Zinsen für das Verleihen von Geld gibt es in diesem Fall nicht mehr.
Diese Entwicklung findet große Beachtung und der Spiegel schreibt: "Der Staat bekommt damit Geld, wenn er Schulden macht." Am 13.07.2016 konnte der Bund für 4 Milliarden Euro zehnjährige Anleihen mit Null Zinsen platzieren. Die Nachfrage übertraf das Angebot um das 1,2-Fache, wie das Manager Magazin berichtet. Die Nullzins Bundesanleihen wurden zu einem Kurs von 100,48 Prozent zugeteilt. Somit nehmen Investoren, die diese Anleihe bis zum Ende (August 2026) halten, einen Verlust von 0,05% pro Jahr hin. Dafür gilt die Rückzahlung der Anleihe durch den Bund als sicher. Zusätzlich gibt einen großen Markt für zehnjährige Bundesanleihen, sodass Anleger diese Anleihen jederzeit verkaufen können und liquide bleiben.
Da die zehnjährige Bundesanleihe als entscheidene Richtschnur für die langfristigen Zinsen im Euro-Raum gilt, sorgt das Nullzins Ereignis für großes Aufsehen, wie das Handelsblatt berichtet. Die zehnjährige Bundesanleihe ist das wichtigste Instrument zur Finanzierung der Schulden. Kapp die Hälfte der Schulden des Bundes besteht aus zehnjährigen Bundesanleihen.
Gründe für die erstmalig negative Rendite bei zehnjährigen Bundesanleihen gibt es viele: Die Politik der Europäischen Zentralbank, die inzwischen für 80 Milliarden/Monat Anleihen aufkauft. Diese hohe Nachfrage drückt die Zinsen nach unten. Dazu kommt das Aufschieben der Zinserhöhung in den USA und die politische Unsicherheit in Europa, z.B. durch den beschlossenen Brexit und die italienische Bankenkrise.
Wenn diese absurde Situation wieder vorbei ist und die Zinsen sich erholen, drohen den Käufern von Anleihen mit negativen Zinsen Kursverluste. Wenn die Zinsen z.B. auf ein Prozent ansteigen und die Anleihe noch neun Jahre läuft, sollte der Kursverlust bei neun Prozent liegen. Noch dramatischer sieht es aus, falls die Zinsen in einigen Jahren wieder bei "normalen" vier Prozent liegen. Bei fünf Jahren Restlaufzeit der Anleihe summieren sich die Kursverluste dann auf 20%. Ein hoher Preis für die sichere Aufbewahrung von Geld.
Solche Kursrisiken waren Anleger bisher nur von Aktien gewohnt, aber nicht von Bundesanleihen. Im Vergleich zur zehnjährigen Bundesanleihe - aktuell ohne Zinsen aber mit Gebühren - bieten viele Aktien Dividenden zwischen zwei und fünf Prozent/Jahr. Dazu kommt dann noch die Entwicklung der Aktienkurse, die zumindest über sehr lange Zeiträume (> 10 Jahre) betrachtet, historisch immer positiv war.
Im Vergleich zu Bundesanleihen, wo die Rückzahlung als sehr sicher gilt, gibt es bei einzelnen Aktien hohe Kursrisiken, hin bis zum Totalausfall, z.B. durch Insolvenz. Wer jedoch Aktien verschiedener Unternehmen, aus verschiedenen Branchen, in verschiedenen Ländern kauft, kann Risiken begrenzen und langfristig positive Renditen einfahren.
"Das ist das Gute am Niedrigzins, er zwingt die Deutschen, über ihr Anlageverhalten nachzudenken", sagt Stefan Kreuzkamp von der Deutschen Bank in der FAS vom 19.06.2016. Bedenklich scheint jedoch die Vorliebe der Deutschen zum Kauf von Immobilien - zu überteuerten Preisen.
Offene Immobilienfonds wissen nicht mehr wohin mit dem ganzen Geld der Anleger und es wird immer schwieriger geeignete Objekte zu finden. Um die großen Summen der Kunden anzulegen, weichen Fonds auf B-Lagen aus oder investieren anstatt in große Bürokomplexe auch in Einzelhandelsimmobilien, Hotels und Industrieobjekte. Neben den starken Zuflüssen von Geldern und sinkenden Renditen sind die Immobilienpublikumsfonds durch hohe Liquiditätsquoten gekennzeichnet, wie eine Studie der Ratingagentur Scope aufzeigt.